Scheissediebullen – Aufschwung

a2895867976_10Scheissediebullen – Aufschwung
Genre: Deutschpunk

Vorweg schon Mal: Wer auf weichgespülte Phrasen und überproduzierten „Modernen“ Sound steht, der sollte sein Leben überdenken oder sich mal auf etwas authentisches einlassen. Denn genau das ist die Platte. Dreckig! Wütend! SCHEISSEdiebullen!

Was für eine verdammt spießige Stadt dieses Freiburg, in der sich sdb Ende 2009 gründeten. Die vier Jungs können gar nicht genug Mittelfinger heben, um das auszudrücken, was sie auf der Platte dann mehr als nur adäquat umgesetzt haben. Quasi „Slime“ des 21. Jh. oder so.
Schon das Cover zeigt ganz eindeutig, dass man beim Hören nur zynisch bzw. verächtlich lächeln kann, wenn man sich mit den Texten und den darin beschriebenen Themen beschäftigt. Weit weg von apathischer Verzweiflung preschen dem Hörer die Songs um die Ohren. Schaut man sich dabei noch das schönste hässliche Inlay, das ich jemals sah, haben die vier trotzdem ihren Humor behalten. Wie dort dargestellt, ist Aufschwung doch nur eine nach oben gerichtete Bewegung vor dem Fallen lassen.

Wenn man dann nun endlich die Nadel auf die Platte herablässt, vorausgesetzt, man kann den Blick von David Hasselhoff abwenden, dann erwarten den Hörer 19 Deutschpunkkracher ohne Kompromisse, ohne Rumgeheule, ohne Plattitüden. „Nicht den Krieg erklär’n / einfach einmarschier’n!“ (DxBxSx „Keine halben Sachen“) so könnte das Motto des Großteils der Songs lauten. Hier wird nicht rumgewinselt, sondern abgerechnet, mit der Gesellschaft, dem Kapitalismus, Gott und Welt! „Das haben wir doch alles schon tausend Mal gehört!“, wird da einer sagen, aber die textliche Umsetzung liegt weit über dem Niveau vieler anderer Zeitgenossen und etablierter Bands. Gleich das erste Lied „Trauerspiel“ greift den Albumtitel auf, will hier aber dem phlegmatischen Trauerkloß vorm Fernseher das eigene Elend vor Augen führen. Thematisch ähnlich, wenn auch andere Nuancen des Modernen Normalos beleuchtend, verhalten sich unter Anderem „Federleicht“ und „Warum tust’n das , Kleingartenhitler“. Auch die sogenannte Demokratie und Weltoffenheit Deutschlands kriegt in „Vom Prinzip her“, „Endlich wieder schön“ und „3 Engel für Adolf“ ihr Fett weg. So wie Agent Brown und Agent Jones stellvertretend für die Maschinen den Menschen als Virus bezeichnen, wird eben diese Lebensweise des ach so vernunftbegabten Wesens im gleichnamigen Lied ganz zynisch als „Scheissidee“ Gottes bezeichnet. Ich musste nickend schmunzeln. Auch das beinahe 100 Jahre alte, aber bei weitem noch nicht verstaubte Arbeiterkampflied „Arbeiter von Wien“ wurde sehr gelungen umgesetzt.

„Landratte“, Titel 16, sticht thematisch heraus und wird den ein oder anderen sicher tief treffen, der diese Erfahrung auch machen musste. Ich will euch den Text nicht vorwegnehmen. Hört es euch an unter: https://www.scheissediebullen.de/

Zum Abschluss möchte ich als weiteren Anspieltip noch „Kollektiv“ nennen. Klar gibt es bessere Bands, als „Die Ärzte“, aber mit „Deine Schuld“, haben die alten Säcke doch eine sehr gute Aussage getroffen. Nimmt man sich dies nicht zu Herzen, muss man sich später nicht wundern, wenn der Nachwuchs seine gegenwärtigen Umstände hinterfragt, wie hier Besungen.

19 Kracher ohne Punkt und Komma. Greift nicht ins Klo, greift zur Platte von scheissediebullen. Die nächste lässt hoffentlich nicht lange auf sich warten.

Trackliste:
1. Zum Geleit
2. Trauerspiel
3. Federleicht
4. Aufschwung
5. Es Geht Nicht Ohne
6. Virus
7. Vom Prinzip Her
8. Arbeiter*Innen Von Wie
9. Scheissediebullen
10. Sommernacht
11. Riot
12. Eine Uebung In Offensichtlichkeiten
13. Endlich Wieder Schoen
14. 3 Engel Fuer Adolf
15. Warum Tust’n Das, Kleingartenhitler?
16. Landratte
17. Wenn Ich So Leben Koennte…
18. Kollektiv
19. Dummheit, Fremdenhass Und Kapital (Karaoke)
20. Ein Kessel Stumpfes

Text: Oliver Sommer